HILFE! Die Coffeeshops saufen ab.

“HILFE! Die Coffeeshops saufen ab!” So übertitelt am 28. September 2015 Maurice Veldman seine Kolumne auf der Internetseite seiner Kanzlei. Seine Sichtweise und die Zahlen, die er überdenkt, sprachen mich an. Zudem war ich im August einen Tag in Amsterdam und habe mir das “Touriprogramm” gegeben. Leute, im Smokeys am Rembrandtplein gab es Bedienungen, die nur ENGLISCH sprachen! Rauchware übelst teuer und noch mieser als in Adam üblich. Koffie Verkeerd 3,50!! Warnung vor dem Feinde :-) Also versuche ich mal eine Übersetzung des Veldman Textes.

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Die saufen nicht ab

HILFE! Die Coffeeshops saufen ab!

Ende März 2015 gab es in den Niederlanden noch 582 Coffeeshops. Jedoch sind seitdem noch einige vernichtet worden. Die meisten Schließungen wurden in den großen Städten durch dieses sinnlose Abstandskriterium verursacht. Diese unsinnige Maßregelung hatte im letzten Jahr vor allem in Amsterdam dramatische Auswirkungen. Der Amsterdamer Bürgermeister wurde 2013 durch den damaligen Innenminister Ivo Opstelten mit dem Wietpas erpresst. Entweder 70 Coffeeshops schließen oder den Wietpas einführen und somit Millionen von Touristen de facto den Zugang zu den Coffeeshops verwehren. Der Bürgermeister entschloß sich zähneknirschend für die erste Möglichkeit und führte zur Durchsetzung das Abstandskriterium ein. So kann es gehen.

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PB Bezirk 1012 A-dam

Auf diese Weise wurden ruckzuck 11 Coffeeshops in der Hauptsatdt geschlossen. Weitere 25 dann sofort danach im “Wallengebiet”, streng nach der Maßgabe, die Wallen zu einer europäischen Toplokation umzustricken. Diese Flut an Schließungen hat im Stadtbezirk 1012 zu einem Mangel an Coffeeshops geführt. In der Warmoestraat, die von Touristen am meisten besuchte Straße Hollands, hat vor einigen Wochen der letzte Coffeeshop definitiv geschlossen. Vor ein paar Jahren waren es noch zehn an der Zahl. In den umliegenden Straßen wurden weitere 15 Coffeshops geschlossen. Als Tourist bist du mittlerweile richtig auf der Jagd nach einem Tütchen Gras. Aber eine wahre Legion an Straßendealern hilft dem völlig verwirrten Touristen dann schon weiter.

Weniger Coffeeshops, mehr Touristen.

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Smokeys – viel schlimmer gehts nicht

Man muss ja kein Visionär sein, um zu sehen, dass da was schieflaufen muss. Eine noch nicht veröffentlichte Studie von Intraval hat die Auswirkungen der Schließungspolitik untersucht. Durchgesickert ist wohl schon, dass sich die Nachbarschaft nicht über eine steigende Overlast beklagt hat, da die verbleibenden Coffeeshops in der Lage sind, das aufzufangen. Jedoch steigt dadurch natürlich der Druck in den Shops stark an. Auf diese Art und Weise werden die Coffeeshops ihrer ursprünglich gedachten Funktion beraubt: Ein gastronomischer Betrieb, in dem neben Getränken und Snacks eben auch Cannabis angeboten wird. In dieser sicheren und vertrauten Umgebung kann der von fachkundigem Personal angebotene Cannabis konsumiert werden. Informationen über Herkunft, Wirkung und Anbau sind selbstverständlich. Der zunehmende Druck auf die immer weniger werdenden Shops hat diese mittlerweile zu Abholstellen degradiert. Vor ihnen stehen Securityleute, die den Strom der Besucher ordnen und über die Sicherheit wachen müssen. Drinnen kommst du durch den Besucherstrom kaum noch zur Toilette durch und Mobiliar wird entfernt, um den Schlange stehenden mehr Platz zu bieten. Sicher boomen die Umsätze, aber als Kunde ist das nicht lustig, wenn du nicht einmal in Ruhe einen Kaffee trinken kannst. Die ursprüngliche Funktion der Coffeeshops wird so außer Kraft gesetzt. Durch das Fehlen so vieler Shops, die ja auch als Informationsquelle für Touristen dienen sollen, kommt es dann auch zu so Situationen wie mit dem “Weißen Kokain” in diesem Sommer. Alle diese Erfahrungen wurden dem Bürgermeister vor einigen Wochen vom “Bond van Cannabisdetaillisten” vorgetragen. Dieser lauschte dem Plädoyer, das Abstandskriterium abzuschaffen und ein Ende der Schließungen zu veranlassen andächtig, meinte aber, dass er ein Mann wäre, der ein gegebenes Wort auch hält und somit auch die mit Ivo damals gemachten Absprachen. Es ist doch eine ernste Frage, ob das immer weitergehende Coffeeshopkillen in der meistbesuchten Stadt der Niederlande überhaupt zu verantworten ist. Immerhin stehen weitere 15 Shops, die innerhalb von vier Monaten zu schließen sind, auf der Liste. Der Bürgermeister führt diesen Monat weitere Gespräche, um zu klären, ob die Schließungen durchgezogen werden oder ob man das stoppt. Und die Anspannung der betroffenen Unternehmer steigt unterdessen weiter. Für den Bürgermeister liegt die kritische Untergrenze bei 159 Shops. Aktuell sind es 176, die 17, die noch sterben müssen, sind die aus den Wallen. Aber 159 sind eben die kritische UNTERGRENZE wie der Bürgermeister ja sagt.

Keine konsequente Handhabung

Wie sieht es nun eigentlich mit den Schulen aus, die sich nach dem Erlass des Abstandskriteriums weniger als 250 m neben einem Shop niedergelassen haben? Das sind in Amsterdam immerhin acht Stück. Müssen diese Coffeeshops denn jetzt auch schließen? Gute Frage. Bisher jedenfalls vertritt der Bürgermeister den Standpunkt, dass diese Shops offenbleiben sollen. Offensichtlich gilt also das Abstandskriterium nicht immer und nicht überall. Das ist nicht konsequent und verdeutlicht die Sinnlosigkeit dieser Anordnung, die ja nur als Schmankerl für Opstelten damals galt. Wenn also das Abstandskriterium nicht festgeschrieben ist, sollte es dem BM auch ein leichtes sein, den Coffeeshopbeleid anzupassen. Und dafür gibt es ja nur gute Gründe. Falls der BM nämlich irgendwann in die Verlegenheit kommt, diese acht Coffeeshops schließen zu müssen, hätte die Stadt weniger als die als unabdingbar angesehenen 159 Shops. Da ist noch ein weiteres schwerwiegendes Argument, um dieses Abstandskriterium endlich in das Gruselkabinett der Drogengesetze aus Ivo´s Zeiten zu verbannen. Der Raad van State hat letzte Woche einen Fall verhandelt, in dem es um das “Fehlverhalten” eines Coffeshopbesitzers ging. “The Bassment” am Oudezijds Achterburgwal nahm es wohl mit der Buchführung nicht so genau. Jährlich werden aus vergleichbaren Gründen drei Shops geschlossen. (Leider geht aus dem Artikel nicht vor, ob das ganz Holland oder nur Amsterdam betrifft.) Das ist ein natürlicher Verlauf und könnte zur Folge haben, dass die Stadt unvermittelt mit wesentlich weniger als den als unabdingbar angesehen 159 Shops dasteht. Und ein weiterer Punkt soll nicht vergessen werden: Der Coffeeshopbeleid schreibt vor, dass ein Shop “klein und beherrschbar” sein müsse. Wenn man aber so durch die Straßen geht und sich die Shops ansieht, sieht man, daß die übergebliebenen “Kiloknaller” groß und unbeherrschbar sind. Und so gesehen beißt sich der Bürgermeister in den eigenen Schwanz, wenn er seine Politik nicht ändert.

Amsterdam Innenstadt – Noch mehr Hamburger und Nutellawaffeln

Clash der Wohnkulturen

Ab dem 1. Januar werden die Shops, die das Massaker überleben, noch mehr wachsen und Megaanbieter werden. Das wird den Druck im Kessel, der ohnehin zu hoch ist, noch weiter erhöhen. Die Warmoestraat ist schon zu einer tristen Hamburger Meile verkommen und in anderen Straßen, die von Coffeeshops “befreit” wurden, herrscht eine wahre Monokultur von Nutellagläsern und Waffelverkauf, welche das Straßenbild ja nun nicht schöner macht. Der typische Amsterdamer Coffeeshop droht durch diese unsinnige Politik abzusaufen und dafür wurde er ja nun einmal nicht geschaffen. In den oben erwähnten Gesprächen lobte der Bürgermeister die Coffeeshops als Institution, die am meisten zur Volksgesundheit hinsichtlich der Drogengesetzgebung beitragen. Viele Gründe, um nun den Weg zurück zu gehen, das Schließen von Shops zu beenden und die Drogenpolitik endlich wieder auf einen guten Weg zu bringen. Die Grenze ist nun wirklich erreicht.

Amsterdam, 28 september 2015

Streuner

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