12. Juni Amsterdam – Cannabisbevrijdingsdag – Legalisierung liegt in der Luft

Siberiea
Siberie, streng reglementiert.

Wir waren uns einig, nicht wieder ein Blogpost von Steve oder mir zum Bevrijdingsdag in Amsterdam. Kushdee sollte ja in diesem Jahr eigentlich etwas schreiben, der war ja nun auch in Amsterdam. Unglücklicherweise passen seine Erlebnisse besser in ein Medizinblog. Also muss ich wieder ran und ein wenig über einen völlig anderen Bevrijdingsdag als 2015 berichten. Das fing, was auch sonst in Amsterdam, mit dem Wetter an. Regen, was sonst. Mit Familie unterwegs, haben wir günstige Tagestickets bei einem Discounter in Holland erworben und sind mit dem Zug gefahren. Doetinchem-Arnhem-Amsterdam und retour, ohne Verspätung, saubere Züge und freies W-Lan. 11:07 in Amsterdam Cs und dann rüber ins Siberie. Mit Hund unterwegs (Hunde fahren in Holland kostenlos in den Öffis) also nur kurz was von diesem leckeren Grape Ape und Jamaika Qutdoor zu 5,50 das Gramm geholt und zurück zum “The Store”. Da gibt es draussen Tische und Bänke und der Hund war glücklich. Das Siberie hatte einen netten, sauberen roten Libanesen, 7,50 das Gramm (getestet und für gut befunden) und ansonsten war die Menükarte wie immer erfreulich gut sortiert. Im The Store wurden die Toiletten komplett saniert,  angenehm sauber und Graffitiunfreundliche Wände. Nichts mehr zu lesen oder zu sehen, auch irgendwie langweilig. Guter Kaffee, nette Bedienung und im Menuekasten eine kleine, ordentliche Auswahl. Ausgiebig das Gekaufte getestet und dabei auf Kushdee gewartet. Seine SMS an Steve war kurz aber deutlich, siehe oben, und so mussten wir ohne ihn Richtung

Achterdeur Lieferung im "The Stud". Alles korrekt abgewogen und jede Sorte hat eine eigene Farbe als Streifen auf dem Baggy.
Achterdeur Lieferung im “The Stud”. Alles korrekt abgewogen und jede Sorte hat eine eigene Farbe als Streifen auf dem Baggy.

Flevopark losziehen. Bis dahin war es trocken, auf dem Weg zum Park fing es jedoch schon wieder an zu regnen. Aber in der Straßenbahn ist es trocken. Von der Haltestelle Molukkenstraat bis zum “The Stud” waren wir so nass, dass wir eine Pause einlegten. Also rein ins Trockene und einen Platz suchen, Kaffee bestellen und auf die Karte schauen. Es sah draußen aus, als ob es sich zu einem trüben nassen Tag entwickeln wollte. Aber was soll es, diese Oase in P1020111Form des Stud liegt ja keine 500 Meter vom Flevopark weg, hoffend auf Wetterbesserung machten wir es uns gemütlich. Nachteil des Shops ist die räumliche Enge und bei so vielen Menschen (und 3 Hunden insgesamt) die, trotz Klimaanlage, recht stickige Luft. Das aber macht Silvio mit Freundlichkeit und Service schnell wieder wett. Preise sehr moderat und die Qualität, wie im letzten Jahr auch, sehr gut. Wir haben ausgiebig getestet, es regnete noch immer. Also Zeit um neben dem Testen ein wenig mit dem Chef zu quatschen. Passend kam eine Lieferung Achterdeurwiet, Joints und Hasch. Alles für die Leser im Foto festgehalten. Leider musste ich die Bilder mit dem Tablet machen und die Qualität könnte besser sein, sorry. Gegen 13 Uhr ging es dann in den Flevopark, es regnete weiter. Irgendwie ist den Holländern das Wetter scheißegal, als wir im Park ankamen P1020174lief Musik, es dampfte und alles war bunt. Welkom in Amsterdam und dann kam die Sonne, kein Regen mehr für den Rest des Tages und es wurde warm.

Mehr Besucher, mehr Aussteller und politische Prominenz

P1020224
Rick Simpson und Wernard Bruining

Auffallend war, das sich die Zahl der Aussteller im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht hat. Eine reichliche Anzahl von Freßbuden, neudeutsch Foodtrucks oder  StreetFood genannnt, von karibischen Hühnchen über Pizza, dieses komische vegetarische und vegane Zeugs gab es natürlich auch. Ebenso auffallend, dass die Tschechen mit 3 Firmen vertreten waren. Hanfkleidung, Hanfsamen und Hanfnahrung. Letzteres in Form von Eis mit geröstetem Hanfsamen und Hanflimonade. SCHWEINETEUER. Auch die Zahl der Besucher ist deutlich gestiegen, etwa 3000 dürften im Lauf des Tages dort gewesen sein. Das ist sicher auch der unglaublichen Leistung des VOC zu verdanken deren Mitglieder seit Monaten die Werbetrommel gerührt haben. Das Bündnis “Justice for Johan” hat an dem Tag 1900 Stimmen für ihre Petition gesammelt. Polizei war nicht zu sehen, die Ordner des VOC hatten alles bestens im Auge und es kam auch zu keinerlei Stress im Laufe des Tages. Der Vorsitzende Derrick Bergmann war so energiegeladen, wie ich es mir bei so manchem Legalisierer hier im Lande wünschen würde. Eine echt starke Persönlichkeit, die trotz all dem Stress immer ein paar Minuten Zeit hatte, um mir weiterzuhelfen oder einfach Fragen zu beantworten. Gespannt war ich auf Rick Simpson, der als Redner angekündigt war. Als er seine Rede begann, spürte man die Spannung die im Publikum herrschte. Simpson, wütend, zornig, energiegeladen, hatte das Publikum nach 30  Sek in seinen Bann geschlagen, die Leute gingen mit und man spürte die UnzufriedenheitP1020138 über die Situation, aber auch einen Willen zur Veränderung. So schnell hatte er sie in seinen Bann geschlagen, dass er schon nach 90 Sekunden wieder von der Bühne ging. Naja, Sensiseeds hat ihm eine Woche ein Appartment in der Stadt gesponsert, da bleibt kaum Zeit für lange Reden. Im ersten Video, welches bei RollingStoned verlinkt ist, sieht man gut was ich meine, wenn ich von Energie bei Simpson spreche. Allerdings hat er sich im Zelt später an der gut 45 minütigen Diskussion beteiligt. So oder so, eine starke Persönlichkeit. Dann kam der wirkliche Mann des Tages, als Überraschungsgast betrat der Altministerpräsident Dries van Agt die Bühne. Der, dem die Niederlande den Coffeeshopbeleid zu verdanken hat, der in den 70er Jahren den Mut hatte und das Coffeeshopmodell durchsetzte. 85 Jahre alt, nicht unumstritten, Legalisierungsbefürworter der ersten Stunde und stinksauer! Seine Rede gibt es als Video, auch wer ihn nicht versteht kann spüren was er sagt, wie er es rüberbringt. Van Agt forderte vehement die sofortige Legalisierung und natürlich hatte auch er sofort die Menge auf seiner Seite. Nur mal so als Vergleich, das wäre in etwa als ob Helmut Schmidt bei der Hanfparade auf der Bühne für eine sofortige Legalisierung eingetreten wäre. Van Agt erinnerte an das Entstehen des “Gedoogbeleids” und das er damals gerne weiter gegangen wäre und eine Legalisierung wollte. Die ist ja nun, wie wir wissen, am politischen Gegner gescheitert und so wursteln die Niederländer immer noch mit der P1020210heuchlerischen “Zwischenlösung” herum.

40 Jahre Duldung, 40 Jahre Toleranz

Aber immerhin haben die Holländer damals wenigstens etwas geschaffen, was sich heute nicht mehr wegdenken lässt. Die allgemeine Toleranz gegenüber Cannabis ist in den Niederlanden doch um einiges höher als bei uns. Sehr gut zu sehen an der Menge Eltern, die mit ihren Kindern das Festival besuchten. Vom Kinderwagenalter bis zum Teenie reichte das P1020101Spektrum und niemand fand das in irgendeiner Weise ungewöhnlich. Ich habe mit mehreren Eltern kurz über das Thema gesprochen, wobei ich nur auf Unverständnis stieß. Es ist einfach so, dass Cannabis ein Teil der Gesellschaft ist und die Kinder damit aufwachsen. Sie wissen, worum es geht und erleben ihre Eltern jeden Tag eben (auch) mit Cannabis. Und natürlich war auch für die Kiddies gesorgt, es gab eine Hüpfburg, Spiele und auch andere Aktionen für Kids. Völlig unverkrampft und offen, so wie ich es mir auch hier wünschen würde. Als ich van Agt während seiner Rede auf der Bühne fotografierte, filmte ein vielleicht 10 jähriges Mädchen neben mir die komplette Rede auf dem Smartphone mit.

Gesang, Spiel und Tanz

Über das musikalische Bühnenprogramm zu schreiben ist schwierig, von gutem Reggae über holländisches Geschrengel Liedgut bis zum Rock. Mutig fand ich den Auftritt Nol van Schaiks, der mit seiner “Band” 40 Jaar gedogen zum besten gab und dafür viel Beifall erhielt. Auf der Wiese nebenan war wie jedes Jahr extrem basslastige Musik aber diese Basswand verhinderte mein Eindringen in diesen Bereich, das gab dermaßen auf die Ohren, das hat der alte Mann gelassen.

Streuner

Letzte Artikel von Streuner (Alle anzeigen)