Das Manifest der Bürgermeister

Kürzlich haben wir über das Manifest geschrieben, indem diverse Politiker die Regierung der Niederlande auffordern, eine regulierte Versorgungskette für die Coffeeshops zu ermöglichen. Wir haben den Text für Euch übersetzt:

Manifest

“Joint Regulierung”

Das Wasser steht uns bis zum Hals

Die aktuelle Regelung, in der der Verkauf von Cannabis toleriert und der Anbau dieser Droge illegal ist, funktioniert vielleicht auf dem Papier in Den Haag, ist aber für uns als Verwalter von niederländischen Städten zunehmend inakzeptabel und hat tiefgreifende Folgen für die Volksgesundheit sowie die Lebensqualität und Sicherheit in unseren Städten. Die Cannabis-Politik bedarf daher einer dringenden Neuordnung. Bereits 2009 kam der Ausschuss für Drogenpolitik unter der Leitung von Wim van de Donk zu diesem Schluss. Seitdem hat sich wenig geändert. Der Minister setzt ausschließlich auf eine Verschärfung einer repressiven Politik. Diese Politik gibt keine Antwort auf drei Probleme, mit denen wir seit Jahren konfrontiert sind:

  1. die Gesundheit der Cannabiskonsumenten wird nicht geschützt
  2. die Sicherheit in den Wohngebieten ist in Gefahr
  3. die (organisierte) Kriminalität, die an Softdrugs gekoppelt ist, kann durch die derzeitige Regelung nicht bekämpft werden

Die Folgen daraus sind gravierend:

  • die Zusammenstellung und Qualität von Cannabis ist unbekannt durch das Fehlen von Kontrollen im Produktionsprozess.  Die Anbaumethode bestimmt letztendlich den Schaden für den Konsumenten, zum Beispiel bei einem THC-Gehalt in unbekannter Höhe oder dem Vorhandensein von chemischen Pflanzenschutzmitteln;
  • in tausenden von Dachstühlen wird illegal Hanf angebaut. Dies verursacht im ganzen Land eine hohe Brandgefahr. Aber auch die Versorgung der Coffeeshops ist für zufällige Passanten und Mitarbeiter der Coffeeshops gefährlich, Bedrohungen und Erpressungen treten häufig auf, auch auf der Straße;
  • es ist ein mächtiger krimineller Dunstkreis entstanden. Mord, Bestechung und Vermischungen der Ober- und Unterwelt sind die Folge. Nicht weniger als 77% der Ermittlungskapazitäten haben mit harten und weichen Drogen zu tun, von kleinen bis zu schweren Delikten. Es ist ein Fass ohne Boden.

Dieses Manifest ist eine Aufforderung an die Regierung, insbesondere an den Staatssekretär für Volksgesundheit (Anmerkung: Martin van Rijn) und den Minister für Sicherheit und Justiz (Ivo Opstelten), sowie die Mitglieder der Tweede Kamer, damit sie alle hören was sich in unseren Städten abspielt und damit sie einen neuen Kurs ansteuern. Einen Kurs, der sich in der Herangehensweise der Probleme vom bisherigen unterscheidet.

Unser Aufruf ist kurz aber drastisch: Zusammen mit uns soll ein landesweites System von zertifiziertem und reguliertem Cannabisanbau ausgehandelt werden. Nur so ist eine Lösung möglich. Der Minister behauptet, dass dies internationale Verträge nicht zulassen. Das ist jedoch eine einseitige und negative Auslegung der Verträge. Diese Interpretation geschieht vor allem aus politischer Motivation. Initiativen aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Uruguay, aber auch aus Belgien oder Spanien beweisen das Gegenteil. Daraus lernen wir, dass eine gute verwaltungsrechtliche Vereinbarung, die Regelungen für Prävention und einen geschlossene Handelskette vom Anbau bis zum Konsum beinhaltet, wichtig ist.

Die landesweite Einführung von zertifiziertem und reguliertem Cannabisanbau ist die Lösung, um Probleme im Zusammenhang mit der Gesundheit der Konsumenten, der Sicherheit in der Nachbarschaft und die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität effektiv anzugehen.

Wir schlagen vor, dass bei einer landesweiten Einführung von reguliertem Cannabisanbau gleichzeitig die Verfolgung  und die Bestrafung bei illegalem Anbau intensiviert wird. Nur dann ist es möglich, die organisierte Kriminalität auf voller Breite anzugehen.

Sollte eine landesweite Einführung von regulierter Cannabisproduktion kurzfristig nicht möglich sein, schlagen wir vor, wie von der Kommission Van de Donk empfohlen, auf lokaler Ebene mit der Regulierung des Anbaus zu beginnen. So können die Probleme mit der Volksgesundheit und der Sicherheit in den jeweiligen Regionen besser in Angriff genommen werden. Die Probleme mit der organisierten Kriminalität wären dann zwar nur begrenzt gelöst, aber der erste Schritt zu einer Verbesserung wäre getan.

Als ersten Schritt und gerne so schnell wie möglich, wollen wir zusammen – Städte und Bund  – Zielsetzungen, Bedingungen und einen angemessen verwaltungsrechtlichen Rahmen schaffen, der für die neue Verordnung nötig ist. Durch die Zusammenarbeit können wir den großen Problemen besser die Stirn bieten und die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten.

Mit diesem Manifest lenken wir die Aufmerksamkeit auf den Minister, den Staatssekretär und das Parlament, damit sie unsere ausgestreckte Hand ergreifen, so dass wir zusammen die festgetretenen Pfade verlassen können und mit uns einen neuen Weg gehen.

Die Initiatoren,

Paul Depla, Bürgermeister der Gemeindet Heerlen
Victore Everhardt, Ratsherr der Gemeinde Urecht
Rob Gijzel, Bürgermeister von Eindhoven

Dieses Manifest wird auch unterstützt durch die Gemeinden

  • Amsterdam
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  • Bach
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  • Doetinchem
  • Drachten / Smallinger
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  • Woerden
  • Zutphen

Erklärung

1. Die Volksgesundheit im Fokus

In der niederländischen Drogenpolitik spielt die Volksgesundheit eine wichtige Rolle. Die Stützpfeiler dieser Politik sind die Verhinderung von Gesundheitsschäden für die rund 450.000 Konsumenten von Cannabis in den Niederlanden, eine Betreuung von Menschen, die ein Suchtproblem mit Cannabis  haben und die Bekämpfung von “Overlast” und Kriminalität. Das war schon 1976 so und ist es auch immer noch. Der Minister bestätigte dies auch noch 2012 in der Kamer-debatte “Richtlinienpapier Drogen”.

Die heutige Drogenpolitik steht auf zwei wackeligen Beinen: Der Minister und der Staatssekretär dulden den Verkauf von weichen Drogen, aber die Gesundheit der Konsumenten wird nicht geschützt. Es fehlt jegliche Form der Kontrolle oder Überwachung des Produktionsprozesses. Und das obwohl die Qualität vom Endprodukt durch die Methoden im Anbau bestimmt wird. Die Anbaumethode bestimmt auch die Zusammenstellung der Wirkstoffe und somit den THC-Gehalt. Der Grad der Schädlichkeit ist auch direkt abhängig von den verwendeten Schädlingsbekämpfungsmitteln und Pflanzenschutzmitteln und der Länge des Trocknungsprozesses. Die Gefahren, die dadurch für die Gesundheit der Konsumenten bestehen sind so groß, dass es unverantwortlich ist, den Anbau in krimineller Hand zu belassen.

Wir plädieren für die Überwachung und Steuerung  der Zusammensetzung und Qualität von Cannabis, damit das Risiko für die Volksgesundheit überschaubar bleibt. Kultivierung durch zertifizierte Züchter unter der Aufsicht des Staates, wie bereits beim medizinischen Cannabis, garantiert genau das. Darüber hinaus könnte man so dem Wunsch des Ministers und der Tweede Kamer entsprechen und starkes Cannabis aus den Coffeeshops verbannen. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle des sogenannten THC-Wertes, sondern auch um das Verhältnis zwischen THC und anderen Wirkstoffen wie CBD, die zusammen den Effekt von Cannabis auf den Konsumenten ausmachen (Stärke des Cannabisproduktes). Weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen auf diesem Gebiet sind notwendig, weil im Moment noch zu wenig über die verschiedenen Wirkstoffe und deren Wechselspiel untereinander bekannt ist. Auf Basis dieser Erkenntnisse müssen Überlegungen zur Stärke von Cannabis gestellt werden. Ein besserer Einblick auf die Qualität und Zusammensetzung von Cannabis bietet auch bessere Möglichkeiten der Prävention und Gesundheitserziehung, um Schäden bei den Cannabiskonsumenten zu verhindern. Dies sehen wir als einen wichtigen Nebeneffekt bei der Zertifizierung und Regulierung des Cannabisanbaus.

2. Die Verbesserung der Sicherheit in der Nachbarschaft

Es gibt schätzungsweise 30.000 illegale Cannabis-Plantagen in den Niederlanden. Diese Zahl bleibt unverändert hoch, obwohl im vergangenen Jahr über 25.000 Plantagen entdeckt wurden. In fast allen Fällen gab es Brandgefahr durch das illegale Anzapfen von Strom. Durch das illegale Anzapfen werden jährlich über eine Milliarde  kWh oder 180.000.000€ von den Energieversorgern gestohlen. Darüber hinaus sind laut dem Bund der Versicherer ein Viertel aller Innenstadtbrände dem illegalen Hanfanbau geschuldet. Zusätzlich besteht das Risiko von Wasserschäden, der Verbreitung von Legionellen und Lärm- und Geruchsbelästigungen. Durch die Regulierung von Cannabisanbau bekommen die Gemeinden die Möglichkeit, die Sicherheit in den Wohngebieten deutlich zu erhöhen.

3. Ein verbessertes Konzept zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität

Keine illegale Plantage steht für sich alleine. Der inländische Cannabismarkt ist vor allem in Händen der organisierten Kriminalität. Kriminelle Banden versorgen die Coffeeshops, die dazu gezwungen sind ihre Produkte an der “Hintertür” anzunehmen. Kleinkriminelle und manchmal auch illegale Einwanderer werden dazu benutzt, die Plantagen zu überwachen. Sie tragen das Risiko, nicht die “großen Fische”. Die illegalen Gewinne werden in Immobilien und Luxusgüter investiert, dadurch untergräbt der illegale Cannabisanbau die niederländische Gesellschaft,

In den letzten Jahren gab es einige Morde mit direktem Zusammenhang zum illegalen Handel und Anbau von Cannabis. Wir plädieren für die Regulierung des Cannabisanbaus, damit der inländische Markt überschaubar und transparent wird und der Einfluss der organisierten Kriminalität abnimmt. Dies muss einher gehen mit der strengeren Strafverfolgung der übrig gebliebenen illegalen Plantagen (der ausländische Markt). Durch die Trennung von reguliertem und illegalem Anbau verlieren die kriminellen Organisationen ihre Hauptumsatzquelle. Durch ein verschärftes Bekämpfen von illegalem Anbau wird sich dieser Anbau in Richtung seines Absatzmarktes bewegen – ins Ausland.

Wir stellen fest, dass die derzeitige Politik des Ministers eine unverhältnismäßig große Belastung von Polizei und Staatsanwaltschaft zur Folge hat. Derzeit werden 77% der Ermittlungskapazitäten für drogenbezogene Straftaten eingesetzt. Das ist unverhältnismäßig, andere relevante Verbrechen können dadurch nur begrenzt bekämpft werden. Die Trennung zwischen einem regulierten und einem illegalen Markt ist unabdingbar. Das bietet die Möglichkeit die Ermittlungstätigkeiten zu bündeln, um die kriminellen Organisationen zu bekämpfen, die es sich bisher bequem machen konnten, vor allem weil bisher die kleinen Anbauer alle Risiken auf sich nehmen mussten. In dem Brief des Ministers gab dieser an, dass Regulierung keine Lösung sei, da 80% der Cannabisprodukte für den Export bestimmt seien. Wir stellen das in Frage, da anderen Studien belegen, dass der Prozentsatz viel geringer ist. Zwar ist ein Teil der Produktion zweifelsfrei für den Export bestimmt, aber wir glauben, dass Regulierung, die Transparenz und die Kontrolle des inländischen Cannabismarktes uns zu Gute kommt. Dies ist im Interesse des Konsumenten und Coffeeshopbetreiber und die Bürger profitieren durch die Erhöhung der Sicherheit in der Stadt.

 

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