Steve hat ja am 17. November schon ausführlich über die Laarhoven Story geschrieben. Die niederländische Redaktion von Vice.com hat jetzt ein Interview mit Johan van Laarhoven veröffentlicht. Erschütternd! Nicht nur wegen der Folgen für Johan, auch die Zusammenfassung die Vice vor dem Interview bringt, zeigt noch einmal komprimiert den ganzen Wahnsinn auf. Der niederländische Staat hat sich da wahrlich blamiert oder um es in Johans Worten zu sagen:”Ich wusste eigentlich von Beginn an, dass wir furchtbar genagelt werden sollen”.
Zwischenzeitlich hat Vice den Artikel auch auf Deutsch. Klar finde ich meine Übersetzung besser, aber entscheidet selbst. Die Bilder im Vice Bericht sind aktuell und spiegeln sehr gut Johans Situation wider, leider erhielt ich keine Genehmigung, sie für diesen Blogpost zu verwenden. Deshalb habe ich andere genommen.
Text des Vice Artikels:
Es ist ein sonniger Tag in Bangkok, die Regensaison ist definitiv vom warmem, sonnigem thailändischen Winter abgelöst. Die Stadt ist noch ruhig, erst ab Anfang Dezember setzt der Touristenstrom wieder ein. Selbst am Erawantempel mitten in der City ist es noch recht ruhig. Dort, direkt gegenüber, liegt das Police General Hospital, in dem Johan van Laarhoven (55) einmal in der Woche untersucht wird.
2011 hat van Laarhoven seine “Grass Company”, eine Kette von vier Coffeeshops in Noord Brabant verkauft. Zu dieser Zeit wohnte er bereits mit seiner thailändischen Frau Tukta und deren zwei minderjährigen Kindern in Pattaya, Thailand. Kurz nach dem Verkauf leiteten die NL Behörden eine Untersuchung wegen Geldwäsche ein und durchsuchten mehrere Male die Shops und Geschäftsräume der Firma. Beweise, die zu weiteren Untersuchungen Anlass gegeben hätten, wurden dabei nicht gefunden. Van Laarhovens Anwalt in den Niederlanden stand zu dieser Zeit in Kontakt mit den Untersuchungsbehörden und van Laarhoven hatte sich bereiterklärt, innerhalb von fünf Tagen in die Niederlande zurückzukehren und Fragen der Behörden dann dort zu beantworten. Soweit ist es nie gekommen, stattdessen informierten die NL Behörden die Thais und diese leiteten ihrerseits in Thailand eine Untersuchung ein und nur wenige Tage später wurden Johan und Tukta verhaftet. Jetzt, 15 Monate später, wurde Johan verurteilt, obwohl er das Geld, welches er in Thailand ausgegeben hat, offiziell und legal in Holland mit Coffeeshops verdient hat. Dass dies in den Niederlanden staatlich geregelt und erlaubt ist, sehen die Thais aber nicht ein. Drogengeld ist böse und damit strafbar, fertig!
Deshalb also sitze ich jetzt bei Johan hier im Police General Hospital, Bangkok. Gesundheitlich ist er nicht so gut dabei und so wird er einmal in der Woche aus dem berüchtigten Klongprem Gefängnis hierher zur Untersuchung gebracht. Schon merkwürdig, aber ich kann ihm hier ganz normal die Hand schütteln, während des Interviews die Fragen stellen, die ich will und habe dabei meinen Voicerecorder unter einer Zeitschrift versteckt. Keinerlei Kontrolle. Das ist ganz anders als im strengen Klongprem Gefängnis in dem Johan nach der Verurteilung in der letzten Woche einsitzt.
Ich habe mit der wohl meist gestellten Frage in einem Krankenhaus begonnen, wie geht es ihnen? Aber jede Frage ist jetzt irgendwie berührend und Johan reagiert auch emotional und braucht eine Weile bis er antwortet.
Johan: Ich bin mir nicht sicher. Solange ich nicht nachdenke, geht es. Aber wenn die Gedanken an meine Frau, meine Kinder, meine Mutter die 83 ist aufsteigen… meine Familie, meine Angehörigen, alles am Boden. Und wozu? (Van Laarhovens Frau wurde verurteilt, weil sie die Kaufverträge für das Land in Thailand unterschrieben hat. Ein Ausländer kann in Thailand keinen Grundbesitz erwerben.) Wenn ich gewusst hätte wegen Geldwäsche in Verdacht zu geraten, hätte ich niemals so gehandelt. 2008 haben wir beschlossen nach Thailand zu ziehen. Meine Frau war schwanger und ich musste ja nun nicht der reichste Mann der Welt werden. Ich hatte Geld satt, mehr als ich hätte verbrauchen können. Also war es eine leichte Entscheidung, ein Leben zu beginnen, in dem wir alle Zeit für die Familie aufwenden können. Als die Bankenkrise kam, dachte ich, es wäre eine gute Idee, das Geld besser hier in Thailand in Grund und Boden zu investieren, so kann es mir dann auch keiner wegnehmen.
VICE: Vorige Woche wurden sie wegen Geldwäsche zu 20 Jahren Haft verurteilt. Hatten sie das im Vorfeld irgendwie auf der Rechnung?
Johan: Nein, ich war absolut davon überzeugt, dass wir nach Hause gehen können. Zum einen weil ich weiß, dass ich unschuldig bin. Zum anderen war ich bei jeder Sitzung dabei und es war deutlich, dass es keinerlei Beweise gegen mich gibt. Sogar einige Zeugen der Anklage sagten aus, dass wir keine Gesetze in Thailand gebrochen hätten und sie ja nicht einmal wüssten was wir in den Niederlanden getan hätten.
VICE: Warum wurden sie dann doch verurteilt?
Johan: Ich hatte von Beginn an das Gefühl, das wir “schwer/heftig genagelt” werden sollten, um es mal im Tilburger Dialekt zu sagen. Aber warum weiß ich auch nicht. Ich habe nichts Verkehrtes getan. Wenn sie meinen früheren Betrieb und die Betriebsführung kennen, wissen sie, dass die Grass Company Shops Modellcharakter für den Ablauf des Cannabisverkaufes in den Niederlanden hatten. Eigentlich für die ganze Welt. Das hatten wir immer. Die Polizei führte in unseren Shops Führungen mit ausländischen Polizeibeamten und Regierungsmitgliedern durch. Wir waren ein Modellunternehmen. Ich sage “Wir” weil ich es noch immer als mein Lebenswerk betrachte, auch wenn ich es verkauft habe.
VICE: Sie werden der Geldwäsche beschuldigt.
Johan: Es gibt keine Geldwäsche. Und angenommen, alles, dessen ich in den Niederlanden beschuldigt werde, wäre wahr. Dann hätte ich nach Aussage meines Rechtsanwaltes höchsten ein Jahr Gefängnisstrafe bekommen. Aber sie werfen mir ja Sachen aus 2011 vor, drei Jahre nachdem ich mein Geschäft verkauft habe. Damit habe ich nichts zu tun. Und wie kann ich Geldwäsche betrieben haben, wo ich doch alle Steuerforderungen erfüllt habe? Das bedeutet doch, dass diese Sache nur durch Mitwirkung der holländischen Steuerbehörden ins Rollen kam. Das Oberste Gericht der Niederlande hat entschieden, dass Geld, welches in einem Coffeeshop verdient wurde, legales Geld ist, selbst wenn ein Coffeeshop zuviel Vorrat hat. Wenn man also von der Rechtssprechung ausgeht, kann keine Rede von Geldwäsche sein.
VICE: Und doch wurden sie ja dann festgenommen.
Johan: Ja, in dem Moment habe ich begriffen, dass die Holländer in dieser Sache ordentlich geschwindelt haben. Plötzlich standen 120 Polizisten und Reporter in unserem Garten. Sie waren auch nach der Festnahme recht freundlich und der Meinung, dass wir sicher nach zwei Tagen nach Hinterlegung einer Kaution auf freien Fuß kämen. Aber das geschah nicht und ich bekam langsam die Vermutung, das es sich um eine politische Sache handelt. So als ob Premier Pravut da selbst hintersteckt. Es waren ja erst sechs Wochen vergangen seit seiner Machtübernahme.
VICE: Sie sind nach der Verurteilung in der letzten Woche in einen anderen Teil der Haftanstalt verlegt worden und saßen zuvor 15 Monate in einem anderen Teil der Anstalt in Untersuchungshaft. Baut man in dieser Zeit Freundschaften auf?
Johan: Mit den meisten Menschen nicht. Es sind zum Großteil Mörder, Vergewaltiger und Gangmitglieder. Manche haben das ganze Gesicht tätowiert. Im anderen Teil, wo ich vorher war, gab es einige andere Ausländer und mit denen redet man schon, aber hauptsächlich über den eigenen Fall. Durch das Verlegen beginnt das alles aufs Neue. Da, wo ich jetzt bin, sitzt ein Engländer der ICE und Amphetamine verkauft hat. Nicht mein Fall, ich halte nichts von harten Drogen (Harddrugs im Original, wobei nach den holländischen Drogengesetz auch BHO als solches deklariert werden kann). Der Rest sind überwiegend aus politischen Gründen inhaftierte Thai.
VICE: Das sind ja Menschen, die “man um sich haben kann” denke ich. Besser politische Häftlinge als Mörder, oder?
Johan: Ja, in der Tat. Es sitzen einge frühere Polizisten bei mir in der Zelle aber es ist doch allemal politischer Bullshit. Viele Menschen sind mehr als deutlich zu Unrecht verurteilt. Die wurden wegen Korruption verurteilt aber dann müsste man jeden Polizisten hier verhaften. Und jeden Bodyguard und jeden Politiker dazu. Dann sitzt ganz Thailand im Gefängnis.
VICE: Wie verlief der Umzug in die neue Zelle?
Johan: Es war am Morgen nach dem Urteil und ich ging von einem Schock in den anderen. Sie kündigen nichts an, das machen sie nie. Als ich meine Sachen nicht schnell genug einpackte, begannen die Hilfskräfte der Gefängnisbeamten meinen Kram in eine Tasche zu werfen. Und so ging ich dann.
VICE: Mittlerweile haben Sie beschlossen, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Welche Wahl hatten Sie sonst?
Johan: Es war ja nicht wirklich eine Wahl, aber um einen Freispruch zu erreichen bleibt ja sonst nichts. Aber es ist ein “Fucked Up”- System das sie eingerichtet haben, damit die Obrigkeit auch wirklich gewinnt. Wenn du dich schuldig bekennst, gewähren sie 50% Straferlass, also erklären sich viele schuldig, auch wenn sie es nicht sind. Bei einer Berufung ist es ähnlich. Der König gewährt jedes Jahr Begnadigungen, aber solange ein Rechtsstreit läuft, kommt man dafür nicht in Frage. Und dazu musst du, um eine Begnadigung zu erhalten an einer Art Ranking teilnehmen. Das reicht von Mittel bis Gut, sehr gut und ausgezeichnet. Wenn du im Ranking bei ausgezeichnet angelangt bis, bekommst du die Hälfte der Zeit erlassen, die es dauert um eine Begnadigung einreichen zu dürfen. Aber an diesem Ranking kannst du nicht teilnehmen, solange der Prozess läuft.
VICE: Falls sie die Strafe in den Niederlanden absitzen könnten, würden sie das tun?
Johan: Das weiß ich nicht. Ich kann doch meine Frau und meine Kinder nicht so zurücklassen, das geht nicht!
VICE: Die Verhandlungen waren ja die einzigen Gelegenheiten, ihre Frau zu sehen, während sie mit Handfesseln aneinandergefesselt waren. Wie fühlt man sich in einem solchen Moment?
Johan: Das ist sehr bewegend: die Familie ist dabei und muss dieser Verhandlung folgen. Ich habe wohl versucht mit meiner Frau zu reden, aber ein Gespräch kam da nicht wirklich auf. Das ist besser als nichts, weil ich sie natürlich gern sehen wollte, aber die Zeit war doch recht kurz. Doch vorige Woche war es am Schlimmsten. Fünf Minuten nach dem Urteil wurden wir getrennt, meine Frau und ich waren völlig perplex. Ich habe keine Ahnung, wann ich sie wiedersehen werde.
VICE: Die Berufung in der höheren Instanz ist ja schriftlich, so dass es keine gemeinsamen Momente im Gerichtssaal mehr geben wird.
Johan: Ja und die Berufung kann bis zu drei Jahren dauern. Wenn es drei Jahre dauern würde, säße ich dann insgesamt schon 4 1/2 Jahre in Haft. Unschuldig.
VICE: Wie gestaltet sich ihr tägliches Leben nun?
Johan: Das ist kein Leben. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es ist Horror. Du hast keinen Platz, um dich zu setzen. Du hast keinen vernünftigen Platz zum Schlafen. Das Essen ist furchtbar. Vor der Verlegung konnte ich jeden Tag Besuch empfangen, hier nur einmal pro Woche. Du wartest eigentlich nur, dass der Tag vorbei ist und dann kommt der nächste Tag.
VICE: Wird dieser Besuch im Krankenhaus dann auf einmal so etwas wie ein Höhepunkt der Woche?
Johan: Ja, dann kannst du auf jeden Fall normal mit Leuten reden, ohne Gitter.
VICE: Bizarr
Johan: Mein Leben ist in den letzten 18 Monaten ja nun auch sehr bizarr.
VICE: Ich kann mir vorstellen, dass die Besuche ihres ältesten Sohnes sie aufrecht halten
Johan: Ja, aber es ist zum Jammern wenn ich daran denke, was es mit meinen Kindern macht. Meine beiden Jüngeren wissen noch immer nicht, wo ihre Mutter und ihr Vater zur Zeit sind. Was sollen wir sagen? Dass wir im Knast sitzen? Wenn sie dann fragen warum, könnten wir es ihnen ja nicht einmal erklären. Anfangs haben wir gedacht, dass es besser ist, nichts zu sagen und nun sitzen wir noch immer hier.
VICE: Ihr Bruder Frans hat letzte Woche bei RTL Late Night gesagt, dass ein Todesurteil humaner gewesen wäre.
Johan: Wenn ich keine Frau und keine Kinder hätte, wäre das eine Lösung gewesen. Aber ich kann das meinen Kindern doch nicht antun. Ich erwarte noch immer, dass die Rettung aus den Niederlanden kommt. Ich hoffe, dass die niederländischen Politiker doch die Eier haben, um dies hier zu stoppen.
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