Käse, Wohnwagen, schlechter Fussball, Coffeeshops – Wir alle kennen die Klischees über die Niederlände. Doch treue Leser wissen, dass der Konservatismus seit Jahren in das Land der Windmühlen eingezogen ist. Und die Konservativen sind es, die den Ruf als “Kifferparadies” loswerden möchten. Kaum eine Partei steht mehr für diesen Konservatismus als die Regierungspartei VVD. Unter Ihnen mussten wir alle mit ansehen, wie Schritt für Schritt die sprichwörtliche niederländisches Toleranz zurückgefahren wurde. Coffeeshopschließungen, Wietpas/I-Kriterium, Growshopgesetz sind die Ausgeburten dieses Kurses.
Da entbehrt es keiner Ironie, dass ausgerechnet der geistige Vater des Wietpas (und allerlei anderer Unsinnigkeiten), Ivo Opstelten, seines Zeichens vorheriger Minister für Justiz und Sicherheit (vergleichbar mit dem deutschen Innenminister) über den sogenannten “Teeven-Deal” mit einem verurteilten Drogenboss gestolpert ist und sich gezwungen sah, zurückzutreten.
Sein Nachfolger wurde der Parteigenosse Ard van der Steur. Als dies damals bekannt wurde, habe ich ein wenig recherchiert und fand dabei einen alten Tweet van der Steurs, indem er bekräftigte, dass er Menschen kenne, die “die an Gras oder Hash gestorben sind.” Den Fund habe ich an Peter Lunk weitergeleitet und schnell machte der Tweet in der niederländischen Szene seine Runde und wurde auch kurz darauf von den niederländischen Medien aufgegriffen. Uns allen schwante übles, zu Recht befürchteten wir alle, dass nun der nächste Hardliner am Start war. Doch van der Steur erwies sich als recht lustlos und so gab es unter seiner Führung recht wenig große Änderungen in der Coffeeshoppolitik. Lustlos schliff er alles mit sich, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Situation für alle Beteiligten verbessern könnte.
Offensichtlich war der gute Mann nicht so wirklich glücklich mit seinem neuen Job. So bekräftigte er auch kürzlich, dass er nach der Wahl nicht mehr für diesen Posten zur Verfügung stünde und nicht mehr für einen Listenplatz in der VVD kandidieren würde.
Jetzt, weniger als 2 Monate vor der Wahl kam es zum Eklat. In einer TV-Reportage wurde über die Verstrickungen van der Steurs in den “Teeven-Deals” berichtet. Er habe Opstelten dazu geraten, die Summe des Deals zu verschweigen. In einer sechsstündigen (!!!) Anhörung in einem Parlamentsausschuss am gestrigen Donnerstag räumte er dies als Fehler ein und wurde dafür von den Oppositionsparteien, die natürlich voll im Wahlkampfmodus sind, kritisiert. Auch die Glaubwürdigkeit von Ministerpräsident Mark Rutte wurde in Frage gestellt.
Dies veranlasste ihn anschließend zum Rücktritt.
Im Netz liesst man Mutmaßungen, dass er die Funktion eines Bauernopfers eingenommen hat, um Rutte selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Angesichts der kommenden Wahl sind solche Skandale natürlich pures Gift die Partei.
Van der Steurs Nachfolger steht bereits auch fest: Stef Blok, ebenfalls von der VVD, bislang “Minister ohne Geschäftsbereich mit der Verantwortung für Wohnen und öffentliche Verwaltung”, darf sich um das Innere bis zur Neubildung des Kabinetts kümmern. Viel zu erwarten ist in dieser kurzen Zeit natürlich nicht.
Ich hätte nie gedacht, dass ich sowas einmal sagen werde: Mir bereitet dieses Ereignis ein paar Sorgen. Getreu nach dem Motto “das kleinere Übel wählen” ist mir die VVD lieber als die PVV um den Rechtspopulisten Geert Wilders, die in Umfrageergebnissen aktuell vor der VVD liegt. Nach Brexit, Trump und viel zu starker AfD hierzulande müssen sich nicht auch noch unsere Nachbarn für den Weg in den Nationalismus entscheiden.
Denn dann verliert die Niederlande endgültig den Ruf, ein tolerantes Land zu sein.
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