Halsema plant radikale Transformation Amsterdams

Schon seit langem sind in Amsterdam die Coffeeshops und der Cannabis-Tourismus vielen Amsterdamer Einwohnern und Politikern ein Dorn im Auge. Schon oft hat man vergeblich versucht den Status Quo zu ändern, aber den Reiz als Europas Kifferhauptstadt #1 hat die Grachtenmetropole nie verloren.

Und so hat sich der letzte Bürgermeister Amsterdams, Eberhard van der Laan (†2017) stets erfolgreich gegen die Einführung des Wietpas / I-Criteriums gewehrt. Und das aus ganz pragmatischen Gründen: Ihm war klar, auch aufgrund der Erfahrungen in Limburg, Noord-Brabant und Zeeland, dass die Einführung massive Probleme mit Strassenkriminalität nach sich zieht. Und in Amsterdam dürfte das auf einem ganz anderen Niveau passieren als in den Grenzstädten.

Als Femke Halsema (GroenLinks) 2018 die Nachfolge van der Laans antrat schien es zuerst so, als würde sie die liberale Politik der Stadt fortsetzen wollen. Sie hat stets betont, dass sie keine Gegnerin der Coffeeshops ist.

Wohl aber vom internationalen Cannabistourismus und generell dem Over-Tourismn, unter dem Amsterdam leidet. Und so sickerte immer mehr die Absicht durch, Amsterdam für Touristen unattraktiver zu machen. Bislang waren es aber nur leere Worte.

Doch jetzt will sie offensichtlich Taten folgen lassen. Und zwar radikale.

Femke Halsema

In einem Brief an den Gemeinderat verkündete Halsema heute, welche Maßnahmen sie umsetzen möchte. Die radikalste Forderung darin: Das I-Criterium soll in Amsterdam umgesetzt werden. Mit anderen Worten: Ausländische Besucher ohne Hauptwohnsitz in den Niederlanden sollen in Amsterdams Coffeeshops keinen Zutritt mehr bekommen. Die Zahl der Coffeeshops soll langfristig auf 68-73 von derzeit 166 reduziert werden, um den tatsächlichen Bedarf in der Stadt dann noch abzudecken. Zudem soll die Kettenbildung von Coffeshops unterbunden werden, was Läden wie Bulldog, Greenhouse und andere direkt mit Schließung bedroht.

Jede Medaille hat zwei Seiten und so sind auch positive Änderungen geplant. So soll das Haarlemer Keurmerk-Modell umgesetzt werden, das Shops mehr Rechte gibt, z.B. einen deutlich höheren Handelsvorrat von ggf. mehreren Kilos um die Versorgungsfrequenz zu verringern. Angedacht wird ein Wochenvorrat.

Strategisch gesehen ist der Zeitpunkt der Verkündung ihrer Pläne nicht unklug gewählt: Durch die Corona-Pandemie ist der Tourismus in Amsterdam nahezu komplett weggefallen. Bei allen Nachteilen, vor allem wirtschaftlicher Natur, die das mit sich bringt sind die leeren Strassen für die Anwohner doch ein recht angenehmes Bild und Abwechslung zum stressigen Massentourismus, den man tagtäglich erdulden musste.

Halsema denkt, dass die Umsetzung ihrer Pläne noch dauern wird, sie rechnet nicht damit, dass dies noch dieses Jahr passieren kann.

Die größte Hürde dürfte aber die Tatsache sein, dass die Maßnahmen durch den Stadtrat müssen. Zwar sitzen dort viele Hardliner und erklärte Coffeeshopgegner, aber eben auch liberale, realistische und pragmatische Politiker, die die Nachteile und aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen fürchten dürften. Die Frage ist doch, ob eine Stadt sich so radikal neu erfinden kann.

Und will.

Amsterdam war stets Sinnbild für eine weltoffene und tolerante Stadt, auch schon vor den Coffeeshops.

Würde man mich fragen, würde ich sagen, dass man lieber die Fehler der Vergangenheit rückgängig machen sollte, um den real vorhandenen Problemen zu begegnen. Das radikale Ausdünnen der Coffeeshops in den letzten Jahren bei steigenden Besucherzahlen war einfach ein falscher Schritt. Amsterdam ist eine kleine Stadt mit begrenztem Platz. Man sollte vielmehr dafür sorgen, dass die touristisch attraktiven Ziele in die Breite (Außenbezirke) gehen, damit sich der Besucherstrom mehr verteilt.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Over-Tourismus nicht ausschließlich von den Coffeeshops kommt, sondern eher durch das vereinfachte Reisen durch Billigflüge und Reisebusse. Das ist eine Entwicklung, die es praktisch in allen Metropolen der Welt gibt (außer vielleicht in Pjöngjang…). Die Frage ist, wie man damit umgeht. Möchte Amsterdam wirklich als die Stadt der Verbote gelten? Will man wirklich das zerstören, wofür Amsterdam steht? Die offene liberale Gesellschaft im Tausch gegen die Verbotskultur? Das kann nicht die Antwort sein.

Ich bin allerdings optimistisch: Die Amsterdamer Coffeeshopkultur wurde schon oft für kurz vor dem Ende erklärt.

Wollen wir doch mal sehen.

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