Cannabis Bevrijdingsdag 2015 – Ein Rückblick

Cannabis Bevrijdingsdag in Amsterdam. Mal wieder ein Anlass, die Hauptstadt des Nachbarlandes zu besuchen. Schließlich hängt selbst in Limburg in den meisten Coffeeshops ein Plakat, also geht man mal davon aus, dass sich dort eine Menge Leute treffen.

 

Ein riesiges Hanfblatt weist den Weg
Ein riesiges Hanfblatt weist den Weg

Sonntag morgens, ab zum Bahnhof in der nächsten niederländischen Stadt, da es wesentlich billiger ist, direkt im niederländischen Bahnnetz loszufahren. Die zwei Stunden Zugfahrt gestalten sich hier dank freiem Wifi-Zugang auch recht angenehm. Es ist deutlich ruhiger, als in einem deutschen Zug, weil die meisten Leute auf ihre Tablets und Mobiles schauen, so dass es sogar möglich ist eine Runde zu schlafen und so das frühe Aufstehen am Sonntag etwas leichter zu gestalten.

Ankunft Amsterdam Centraal – natürlich zuerst mal einen Kaffee trinken und die regionalen Agrarprodukte genießen. Das Wetter lässt etwas zu wünschen übrig. Bedeckter Himmel und recht kühl. Nun ja, es kann ja nicht bei jedem Amsterdam Besuch die Sonne scheinen. Ein Blick aufs Handy verrät mir, dass es ca. 5 Km bis zum Flevopark sind. Bei einem solchen Wetter ein angenehmer Spaziergang. Ich kenne die Seite von Amsterdam eh noch nicht, also mache ich mich auf den Weg, um ein wenig Amsterdam zu sehen.

Der Weg führt mich vorbei an Hausbooten, Windmühlen und Schildern, deren Bedeutung sich zunächst nicht so ganz erschließt. Nach einem interessanten kleinen Fußmarsch erreiche ich dann, natürlich mal wieder zu spät, den Treffpunkt im Flevopark. Schon vom Parkeingang sehe ich das riesige Cannabisblatt, welches in der Mitte der Wiese aufbaut ist. Ein eindeutiges Statement; hier bin ich richtig.

Amsterdams moderne Zeiten.
Amsterdams moderne Zeiten.

So früh am Tag ist die Menge der Leute noch überschaubar. Also noch Zeit genug, erst mal einen zu rauchen und nette Leute zu treffen, bevor man im Getümmel nur noch die üblichen ‘Hallo, wie geht’s?’ Gespräche führen kann, weil jeder mit irgendwas oder irgendwem beschäftigt ist. Da auch die Stände der Einkaufsmeile noch nicht so belagert sind, auch noch eine gute Zeit, um sich in Ruhe die angebotenen Utensilien, Kleidungsstücke und Infostände anzuschauen.

Auf den ersten Blick fällt der Unterschied zur deutschen Hanfparade auf. Es gibt eine Fressmeile! Eine Seite der Wiese ist komplett mit Buden zugestellt, die die verschiedensten Gerichte anbieten. Zugegebenermaßen zu sehr stolzen Preisen. Ein HotDog für 5,50 Eu ist schon eine starke Nummer. Aber egal, man ist ja nicht so oft da…

(Fairerweise möchte ich hier darauf hinweisen, dass es der Hanfparade nicht erlaubt ist, Essstände auf der Kundgebung aufzustellen. Kauft man sich was in den umliegenden Touriläden, so ist es auch nicht wesentlich billiger. Scheint also am Metropolenzuschlag zu liegen)

Direkt neben der Fressmeile sticht etwas heraus, dass so auch nicht ganz so selbstverständlich ist: die Hüpfburg für die Kinder!

Auch das ist etwas, was auf einer deutschen Veranstaltung wahrscheinlich einen Aufschrei gegeben hätte. Kinder auf einer Hanfkundgebung! Mein Gott, was ist denn mit dem Jugendschutz?

hüpf

In den Niederlanden sieht man das glücklicherweise etwas entspannter. Grundsätzlich ist das ein Zeichen, dass Cannabis dort doch weiter in der Gesellschaft angekommen ist, als hier. Überhaupt hat der Bevrijdingsdag eher etwas von Volksfest und entspanntem Beisammensein, als von einer politischen Kundgebung, was er ja auch ist.

Dies wird bei den verschiedenen Redebeiträgen klar, die das Musikprogramm auf der Bühne unterbrechen. Einer der Höhepunkte war dann auch die Ankunft der Fahrer der Medical Cannabis Bike Tour, die nach ihrer Fahrt durch die Niederlande an diesem Tag in Amsterdam ankamen.

So genießt man also den Tag, redet mit vielen Leuten und hört interessante Bands. Überhaupt ist es ein sehr gut organisiertes Event auf dem man auch ohne Probleme den ganzen Tag verbringen kann.

Cannabis Film Festival
Cannabis Film Festival

Gegen Abend geht’s dann wieder nach Hause. Mit einem Haufen Eindrücke, Bilder und Kiffer-Devotionalien komme ich wieder zu Hause an und überlege, was man jetzt über einen solchen Tag schreiben kann.

Im Grunde könnte man es auch reduzieren auf: Schöner Tag, nette Leute und gute Orga. Es ist ein Volksfest, ohne die übliche Polizeipräsenz und man kann hier auch einen Tag genießen, ohne ständig zu schauen, ob der nette Kontaktbeamte vielleicht gerade hinter einem steht.

In den folgenden Tagen erscheinen die ersten Berichte in den niederländischen Blogs und man sieht die ersten Fotos auf Facebook. Verdammt, so langsam muss ich den Arsch hochkriegen. Aber was zum Teufel soll man schreiben. Irgendwie widerstrebt es mir einen kurzen Reisebericht zu machen und das Thema damit für mich abzuhaken. Schließlich beschäftigen wir uns hier mit der niederländischen Cannabispolitik und nicht mit Kritiken von Konzerten oder solchen Veranstaltungen.

 

Ankunft der Medical Cannabis Bike Tour
Ankunft der Medical Cannabis Bike Tour

Also mal sehen, was die Niederländer so schreiben. Und tatsächlich, da ist der Artikel, den ich eigentlich hier erwarten würde. Im Wietblog wird gefragt, ‘Warum lassen wir unsere Stimme nicht hören?’ Genau das ist eine der Fragen, die mich schon so oft beschäftigt hat. Angesichts der vielen Rückschritte, die die niederländische Cannabispolitik macht, fragt man sich als deutscher Besucher natürlich, warum nicht mehr Forderungen z.B. nach Regulierung der Achterdeur, dem Growshopverbot und den anderen Themen zu hören oder zu sehen sind.

Wie schon öfter festgestellt, scheinen diese Themen in der Öffentlichkeit nicht ein solches Interesse zu haben, wie wir uns oft vorstellen, dass sie es verdienen. Wahrscheinlich werden diese Forderungen dann aufkommen, wenn ein Bevrijdingsdag nicht mehr so ist wie jetzt. Denn wenn ein solcher Tag in dieser Form veranstaltet werden kann, warum sollte man ihn da mit zu viel Politik verderben? Es gibt ja auch durchaus Leute, die auf diesem Tag nicht erscheinen, weil sie ihn wegen seines zu kommerziellen Charakter ablehnen.

 

Eingang zum VIP Bereich
Eingang zum VIP Bereich

Auf der anderen Seite kann man natürlich auch sagen, ‘erst schreien, wenn es weh tut.’ Und genau das tut es im Moment offensichtlich noch nicht. Durchsuchungen von Growshops und Beschlagnahme von einigen Pflanzen sind noch nicht die Themen, bei denen es die Menschen auf die Straße treibt. Und mal ganz ehrlich: was würden wir denn in Deutschland tun, wenn wir ein solches Event wie den Bevrijdingsdag hier organisieren könnten? Wir würden hingehen, uns am schönen Wetter und der Musik erfreuen und jeden Strain testen, der uns unter die Finger kommt! Also warum sollten die Niederländer das nicht genau so machen?

Steve Thunderhead