“Bürgermeister Hoes hat uns einen Gefallen getan” – Interview mit Marc Josemans

Er ist der berühmteste Coffeeshopbesitzer der Niederlande. Seit rund fünfzehn Jahren ist Marc Josemans Vorsitzender der Vereniging Officiële Coffeeshops Maastricht (VOCM). Seit am 1. Mai letzten Jahres der Wietpas im Süden des Landes eingeführt wurde, führt er den schwersten und wichtigsten Kampf in seiner Karriere. Dem Highlife Magazin hat er nun ein Interview gegeben. Hier ist nun die deutsche Übersetzung des interessanten Gesprächs über Strafverfahren, Umzugspläne und seine Einschätzung der aktuellen Maastrichter Situation.

Wie war es am Bevrijdingsdag, an dem Ihr Coffeeshop Easy Going zum ersten Mal seit einem Jahr wieder Besucher empfangen hat?

Es war sehr schön, nach einem Jahr und vier Tagen wieder die Türen des Shops für jedermann öffnen zu können. Und das auch noch im dreißigsten Jahr des Bestehens vom Easy Going, das passt gut. Es wäre natürlich schöner gewesen, wenn es etwas friedlicher gegangen wäre, und nicht mit all diesem Stress der nun anhängig ist über mögliche Sanktionen.

Hatten Sie erwartet, dass Bürgermeister Hoes die richterliche Aussprache vom 25. April beachten würde? Der Richter urteilte immerhin, dass das Easy Going im letzten Jahr zu Unrecht geschlossen wurde, weil Hoes den Beschluß nicht ausreichend begründet hatte. Er hätte angeben müssen, warum eine weniger drastische Massnahme nicht ausreichend war.

Zwei Stunden nach der Verhandlung gab der Herr Hoes eine Presseerklärung heraus, worin er ankündigte, dass er dagegen vorgehen würde, wenn wir wieder für Ausländer unsere Türen öffnen. Die Sanktionen kamen also nicht unerwartet. Darüber hinaus hatten die Mitglieder des VOCM selber ein Interesse an der Strafverfolgung. Es war klar, dass nur solche Strafverfahren ein für alle Mal die nötige Klarheit über das I-Kriterium bringen konnten. Der Herr Hoes hat uns dabei dann ein bisschen geholfen.

Sie haben mehr mit Gerd Leers(CDA) verhandelt und zusammengearbeitet als mit Onno Hoes (VVD). Worin unterscheiden sich diese Bürgermeister voneinander.

Ich denke, der größte Unterschied liegt in der Tatsache, dass Herr Leers offen für Veränderungen in seiner Sichtweise war, wenn die richtigen Argumente vorgebracht wurden. Herr Hoes scheint bisher keine Last zu haben mit fortschreitenden Einsichten. Aber ich bleibe positiv und weiß, dass er seinen Kurs anpassen wird. Repression ist niemals die Antwort, Diskriminierung noch weniger.

Am Tag, als der VOCM sich weigerte mit Hoes zu reden, fiel in die Polizei in Ihrem Shop ein und Sie wurden verhaftet. Glauben Sie, dass es eine Verbindung gibt?

Natürlich, aber das ist nicht wirklich spannend. Ich habe den Ball geschossen und dann muss ich auch erwarten, dass er zurück kommt. Nochmals, wir profitieren alle von einem gründlichen Strafverfahren. Das kommt nun und der Herr Hoes hat uns in der Tat einen Gefallen getan.

Können Sie uns etwas zu den Umzugsplänen der Maastrichter Coffeeshops sagen? Diese Pläne gibt es doch schon seit längerer Zeit. Warum wurde das noch nicht durchgeführt?

Der Umzugsplan basiert auf einer Idee, die ich zusammen mit einem Kollegen im Jahr 2011 ausgearbeitet und dem Herrn Leers vorgestellt habe. Von den vierzehn Coffeeshops, die alle im Zentrum von Maastricht liegen, sollen sieben freiwillig an drei Stellen, sogenannte Coffeecorner, umziehen. Diese Plätze liegen am Rand der Stadt an den Einfallsstraßen. Untersuchungen unter unseren ausländischen Besuchern haben nämlich ergeben, dass 48% nicht wegen der Stadt und ihrer Einrichtungen kommen, sondern allein wegen des Cannabis. Die restlichen 52% geben ausserhalb der Coffeeshops jährlich 119 Millionen Euro für Parken, Essen, Trinken, Übernachtungen, Einkaufen und anderes aus. Für diese Gruppe und für die lokalen Konsumenten müssen die sieben Shops in der Innenstadt bestehen bleiben. Leider fanden unsere Nachbargemeinden, vor allem belgische wegen unserer einzigartigen geographischen Lage, diese Vorstellung nicht angenehm. Übrigens ohne gute Argumente dazu zu liefern. Bei dem Verfahren wurden durch die Gemeinde Maastricht Fehler gemacht, deswegen warten wir immer noch auf grünes Licht vom Raad van State. Es wird erwartet dass die Baupläne in einigen Monaten umgesetzt werden können. Anfang 2014 werden wohl die ersten Coffeeshops umziehen können.

NRC / Handelsblad sprach kürzlich von einem Medienkrieg zwischen Maastricht und dem VOCM. Wie finden Sie diese Beschreibung?

Nun, Registrierung und Diskriminierung lösen offensichtlich – und glücklicherweise – die Zungen. Und die Medien verfolgen dies mit großem Interesse. Ich bin auch nie zu bange gewesen, die VOCM Position mit Nachdruck zu vertreten. Dies ist sehr wichtig, wenn man sieht, dass die neue Taktik unserer Gegner das bewusste “anschwärzen” einer Person ist.

Manche sagen, dass die (Park) Overlast in Grenzstädten wie Maastricht durch die Senkung der maximalen Verkaufsmenge von 30 gr. auf 5gr. verursacht wurde. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Das stimmt. Wir haben seinerzeit den Justizminister Sorgdrager versucht zu überzeugen, dass er, wenn er Frankreich entgegenkommt im Bestreben den Drogentourismus zu bekämpfen, durch die Absenkung der maximalen Verkaufsmenge dafür sorgt, dass ein viel größeres Verkehrsaufkommen entsteht. Auch hier sagt die Logik wieder, dass man mehr Verkehr bekommt, wenn die Kunden weniger kaufen können. Diese Änderung war auch der Auslöser für den großen Coffeeshoptourismus, den wir seitdem in einigen Gemeinden sehen.

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit seit dem 1. Mai 2012, was ist Ihr schönstes und unvergesslichstes Erlebnis?

Eigentlich nichts … Alles, was der VOCM Herrn Hoes und dem Rat vorausgesagt hat, ist eigentlich so wahr geworden. Macht uns das nun so schlau? Natürlich nicht, jeder der – hier sind wir wieder – mit Logik darüber nachgedacht hat, wäre zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Die einzige Lösung für all diese Probleme ist die einzige Möglichkeit, die wir bisher nicht versucht haben: eine transparente Linie der Produktion, des Verkaufs und des Konsums von Cannabisprodukten. Darüber hinaus darf die Bedeutung der Hobbyzüchter für den persönlichen Gebrauch nicht vergessen werden. Nur dann kommen wir aus diesem Sumpf der Halbwahrheiten und manchmal sogar ganzer Lügen heraus. Zusammen nach Lösungen suchen, statt einander zu bekämpfen.

Haben Sie jemals gedacht: Warum hab ich keine Kneipe eröffnet?

Nun, ich hatte früher zwei Kneipen und in aller Ehrlichkeit : nie wieder! Obwohl es hier um legale harte Drogen geht, hab ich hundertmal lieber mit einem Blower zu tun als mit einem starken Trinker. Die Atmosphäre und die Gäste in einem Coffeeshop sind so grundlegend anders und viel besser als in einer Kneipe. Jedem das seine …

Niemand kann die Zukunft voraussagen , aber wie denken Sie, wird sich Situation in Maastricht im Juni 2014 sein?

Ich bin sicher, dass wir die Umzugspläne im Juni 2014 durchgesetzt haben und dass alle Ausländer an diesen Stellen auch willkommen sein werden. In der Stadt halten wir dann das Nachbarschaftskriterium um den Ansturm zu verringern.Ich hoffe, dass wir zu einer Einigung mit Herrn Hoes kommen, denn kurzfristig sind sonst die Klagen die einzige Hoffnung für Klarheit zu sorgen. Allerdings habe ich festgestellt , dass jeder vor einem Wendepunkt sitzt. Von Herrn Opstelten bis zu den Coffeeshopunternehmern sind wir uns einig , dass die derzeitige Politik ihre beste Zeit gehabt hat. Dies bedeutet auch ein wachsendes Bewusstsein in den Coffeeshops , das wir selbstregulierende Maßnahmen zu treffen haben. Und daran ist, bei normaler Ausführung auch nichts falsch dran.

Wir sollten nun, in Nachahmung der Ausschanklizenz- und Gaststättengesetzgebung, eine ähnliche Cannabisgesetzgebung erschaffen, die das endlich regelt, was 37 Jahre zu spät kommt . Es ist der einzig richtige Weg , der auch vom Ausland mitgemacht werden sollte. Ein erster Schritt wäre ein “Benelux – Cannabis – Vertrag “. Minister Opstelten kann einen solchen Vertrag bei seinen belgischen und luxemburgischen Kollegen anregen. Dies wird den Coffeeshop Tourismus von selber lösen. Und so erhalten alle europäischen Cannabiskonsumenten, wozu sie ein Recht haben: einen sicheren Ort, an dem sie genießen können, ohne Kontakt mit harten Drogen oder kriminellen Elementen haben zu müssen.

 

Steve Thunderhead