Vor ein paar Tagen wurde in den Niederlanden bekanntgegeben, welche Städte am Modellversuch zum regulierten Cannabisanbau teilnehmen sollen. ‚Niederlande testen “Staatsmarihuana” in mehreren Städten‘ war die Schlagzeile die wohl eine Presseagentur raus gegeben hat und die dann in den verschiedensten Zeitungen erschien. Doch was wurde dort eigentlich beschlossen? Die erste ‚Advies‘ der Kommission um Prof. Knottnerus war letztes Jahr schon 76 Seiten lang. Die jetzige zweite umfasst noch einmal 28 Seiten. Da sollte doch wohl mehr drinstehen, als nur ein paar Städte die an diesem Versuch teilnehmen.
Schauen wir noch einmal genauer auf diese Empfehlungen.
Um was geht es genau bei dem Staatswiet?
Es geht zunächst einmal um nichts anderes, als in einem wissenschaftlich begleiteten Versuch die Entkriminalisierung des Anbaus und der Lieferung an die Coffeeshops zu testen und die Auswirkungen zu erforschen. Genauer gesagt möchte man den rekreativen Gebrauch von Cannabis nach dem Vorbild des medizinischen regulieren und so die gute alte ‚Achterdeur‘ abschaffen. Das bedeutet, dass von staatlicher Seite der Anbau und die Produktion von Cannabisprodukten betrieben wird, und für die Zeit des Experiments die Beteiligung an diesen Aktivitäten, solange sie eben im Rahmen dieses Experiments stattfinden, nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Hört sich etwas schräg an, aber das steht in etwa so auch in der ersten Empfehlung von Prof. Knottnerus an die zuständigen Ministerien. Schauen wir uns das genauer an.
Das erste was auffällt ist das Wort ‚Entkriminalisierung‘. Tatsächlich findet dieses Experiment nämlich in einer rechtlichen Grauzone statt. Man legalisiert hier nichts und man reguliert auch nichts. Tatsächlich versucht man einen Teil des illegalen Marktes zu übernehmen um zu testen ob man es selber auch hinkriegt. Naja, man sagt den Niederländern ja immer Pragmatismus nach…
Damit man dann auch eine Kontrollgruppe hat, schließlich ist das ein ernsthaftes wissenschaftliches Experiment, gibt es auch Städte, in denen der illegale Markt beobachtet werden soll. Zu den Städten Arnhem, Almere, Breda, Groningen, Heerlen, Hellevoetsluis, Maastricht, Nijmegen, Tilburg, und Zaanstad, die am Experiment teilnehmen, gibt es die Städte Helmond, Hoorn, Lelystad, Midden-Groningen, Roermond, Tiel und Zutphen bei denen die Lage von der anderen Seite beobachtet werden soll.
Gibt es unterschiedliche Sorten? Was ist mit Hash?
Die Leute um Herrn Knottnerus sind keine weltfremden Spinner. Schon in der ersten Empfehlung an die Ministerien stellen sie klar, dass ein solches Experiment nur gelingen kann, wenn man nicht nur eine Sorte Wiet anbietet. Deswegen haben sie empfohlen, dass alle Arten von Cannabisprodukten angeboten werden und auch eine Variation von verschiedenen Wietsorten angebaut werden sollte. Dazu sagen sie auch direkt ganz klar, dass man hierfür ein sehr spezielles Know How benötigt, welches der Staat nicht besitzt. Dieses Know How müsste also quasi aus der Illegalität geholt werden, denn aus dem medizinischen Sektor wird man die Leute nicht abwerben können. Dazu lese man nochmal den vorherigen Abschnitt über de fehlende Strafverfolgung während man am Experiment teilnimmt…
Was daraus im Endeffekt wird, muss man abwarten, aber das was die Kommission empfohlen hat, geht wirklich in diese Richtung. Der nächste Punkt der Produktionskette ist dann die Qualitätsprüfung. Man möchte sich ja wie gesagt am medizinischen Bereich orientieren. Sollte das richtig umgesetzt werden, würde man also sauberes, geprüftes Cannabis bekommen.
Die ganze Produktionskette wird überwacht, so dass kein Produkt in den Schwarzmarkt verschwinden kann. Preislich will man sich am üblichen Marktpreis orientieren, Dazu dient auch ein Puffer auf dem Preis, mit dem man regulierend eingreifen kann, wenn die produzierte Menge zu sehr schwankt. Die Gewinne aus diesem Puffer sollen dann Projekten gegen den missbräuchlichen Gebrauch von Cannabis zugute kommen.
Kann man als Ausländer noch in diesen Städten einkaufen?
Einer der Kritikpunkte, die aus der konservativen Ecke kommen, besteht darin dass die Niederlande zu einem Drogen produzierenden Land werden. Die Angst vor Drogentourismus und auch die Beziehungen zu den Nachbarländern, welche das evtl. nicht soo gut finden sind hier die Punkte welche auch die Kommission erwähnt. Tatsächlich soll in den Grenzstädten, die am Experiment teilnehmen das I-Kriterium gelten. Und hier wird es etwas unklar. Klare Grenzstädte sind nach Presseberichten Breda, Maastricht und Heerlen. Unter anderem auch wegen der Nähe zu Belgien gilt hier sowieso schon das I-Kriterium. In Maastricht und Breda wird sich also nichts ändern. In Heerlen ist es bisher so, dass man zwar kaufen aber nicht sitzen kann. Wäre also die Frage wie die Regelung dann fortbesteht. Da Heerlen aber eh nur zwei Shops hat und Kerkrade bzw. Eygelshoven direkt nebenan sind, wird sich hier auch nichts ändern.
Interessanterweise ist von einer Anwendung in Nijmegen bisher keine Rede, Nun kann man Nijmegen durchaus als Grenzstadt bezeichnen und in den Voraussetzungen für das Experiment steht ausdrücklich drin, das Grenzstädte verpflichtend das I-Kriterium handhaben sollen. Allerdings gilt auch, dass die Städte die lokale Coffeeshoppolitik selber bestimmen können. Es bleibt also die Frage was dort weiter geschieht.
In den anderen Städten bleibt es wie es ist. Die Gemeinden können selber entscheiden ob sie das I-Kriterium handhaben oder nicht. Sie können diese Einstellung auch während des Experiment noch ändern.
Es dürfte also möglich sein, zumindest in einigen Gemeinden die staalich produzierten Produkte zu testen und zu beurteilen ob der Staat die Produktion hinkriegt.
Alles in allem bleibt abzuwarten wo das alles hin läuft. Bisher hat man zunächst mal die Städte für die Teilnahme festgelegt. Die Kommission geht davon aus, dass es mindestens ein Jahr dauert, eh man die Produktion mit allem Drum und Dran zum Laufen gebracht hat. Schließlich braucht man eine gewisse Menge und muss auch die Weiterverarbeitung und die Qualitätsprüfung im Griff haben.
Eine der Befürchtungen, die die Kommission in ihrer Empfehlung äußert, geht in Richtung der illegalen Produzenten. Da das Geschäft mit Cannabis in den Niederlanden 2013 einen Umfang zwischen 875 Millionen und 1,25 Milliarden Euro hatte, ist davon auszugehen, dass die jetzigen Produzenten den Markt nicht so einfach abgeben wollen. Immerhin sind das die Leute mit denen man konkurrieren muss, in Qualität und Preis.
Schafft man das nicht, wird das Experiment zwangsläufig scheitern.
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